Geschichte

Seit über 1200 Jahren die Perle an der Ruhr – Werden

Im Januar 799 erwirbt der Friesen-Missionar Liudger ein Grundstück auf einem Hügel am Südufer der Ruhr, dem Werth. Hier gründete er das Benediktinerkloster und legte damit den Grundstein für die Stadt Werden, die seit 1929 Stadtteil von Essen ist. Feuerbrünste und Wiederaufbauten veränderten im Lauf der Jahrhunderte das Erscheinungsbild der Abteikirche, die 808 von Liudger (seit 805 Bischof in Münster) geweiht wurde. Der Legende nach sollte Liudger nach seinem Tod in Münster begraben werden. Am Tag der Trauerfeier jedoch hörte man eine Stimme, die immer wieder rief: „Hier will ich nicht begraben sein!“ Kurzerhand stellte man den Sarg auf einen Ochsenkarren, der sich ohne Führung in Bewegung setzte und erst in Werden wieder Halt machte. Hier läuteten schon seit Tagen wie von Geisterhand die Glocken. Seit 1127 wird nun der Schrein mit den Gebeinen des heiligen Liudgers alljährlich am ersten Sonntag im September in einer feierlichen Prozession durch die Altstadt Werdens getragen.

thumbnail.phpIm Zuge der Säkularisierung endete im Jahre 1803 die Herrschaft der Äbte. Bis heute jedoch ist Werden geprägt von seinen drei Kirchen. Die Abteikirche zählt zu den bedeutendsten Kirchen im Rheinland, die Luciuskirche gilt als die älteste Pfarrkirche nördlich der Alpen, und die Evangelische Kirche besitzt wertvolle Jugendstil-Malereien.

1770 wird unter Abt Anselm von dem Kettwiger Ingenieur Engels die Ruhr durch ein Schleusensystem schiffbar gemacht. Ein Ruhrstauwehr löst in den 1930er Jahren die alte Schleuse Neukirchen ab. Mit diesem entstand der Baldeneysee, der heute ein beliebtes Naherholungsgebiet für Besucher aus dem gesamten Ruhrgebiet ist.

Auch der Bergbau kam nicht zu kurz: Bereits im 16 Jahrhundert wurde in Werden Kohle gefördert. Die letzte Zeche auf Werdener Gebiet, Zeche Pörtingsiepen, wurde 1973 endgültig stillgelegt. Die Ära der Tuchmacher-Industrie, die mit der Tuchfabrik von Scholten im Jahre 1757 in Werden beginnt, endet mit der Schließung der Werdener Feintuchwerke AG. Heute befinden sich in den sanierten ehemaligen Räumlichkeiten begehrte Lofts. Zu einem Wiederaufleben der Tuchmachertradition ist es durch die beiden Tuchmärkte im Frühjahr und im Herbst gekommen die seit 2007 stattfinden.

Wolfgang Clement, ehemaliger Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens, sprach den Werdener Bürgern in seiner Festansprache anlässlich des Jubiläumsjahres 1999 aus dem Herzen, als er feststellte: „Es ist nun einmal so, dass Werden schon geworden war, als Essen noch im Werden war!“

Werden heute in Zahlen

Werden ist ein Stadtteil im Essener Süden
PLZ-Gebiet: 45239
Einwohner: Werden: 9.720; Heidhausen: 6.707; Fischlaken: 4.837 (Stand: 2020/Quelle: Auswertung der Einwohnerdatei; Stadt Essen, Amt für Statistik, Stadtforschung und Wahlen)

Am 1. August 1929 werden die Bürgermeisterämter Werden und Werden-Land aufgelöst und nach Essen eingemeindet. Damit endet die Unabhängigkeit und Selbstständigkeit Werdens nach rund 612 Jahren. Werden sowie Fischlaken und Heidhausen sind drei der insgesamt 50 Essener Stadtteile und gehören zum Stadtbezirk IX, der im Jahre 1975 neu gegründet wurde. Im Bezirk IX liegen auch Bredeney, Schuir sowie Kettwig.

Die Werdener haben sich in all diesen Jahren stets ihren Stolz auf ihre eigene Geschichte und ihre Tradition bewahrt. Dies wird vor allem deutlich am Engagement vieler für ein schönes Werden.

Die Bezirksverwaltung IX befindet sich nach Schließung der Werdener Meldestelle im Februar 1996 vollständig im Kettwiger Rathaus.

Adresse:
Bürgermeister-Fiedler-Platz 2
45219 Essen-Kettwig
Telefon: 02054 95 370

Vorsitzender der Bezirksvertretung IX (und damit „Bezirksbürgermeister“) ist Gabriele Elfriede Kippart.

Schön ist, wenn man in Werden wohnt

Die Frage kommt sicher: Wenn ich irgendwo in einer Runde von gut gelaunten Men­schen stehe, die sich oft bisher fremd waren, und wir über schöne Orte dieser Welt sprechen, dann hinterfragt stets ein kritischer Geist meinen Beitrag mit leicht spöttischem Ton: „Dieses Werden muss ja etwas ganz Be­sonderes sein.“

Achtung Test! Habe ich zu viel geschwärmt? Das geistige Auge segelt noch einmal von Kettwig herauf über die abwechslungsreiche Landschaft der Ruhr, schwingt sich zum Helmesberg hinauf, genießt von dort den schönsten aller Blicke auf die Abtei, setzt sich auf die neue Lichtung der Platte mit dem superbreit-wandigen Panorama, das vom Hügel über den See, die Stadt und den Fluss bis zum Pas­toratsberg reicht, lässt sich in die engen Gassen der Altstadt gleiten und fährt mit Tempo 30 durch die Wohngebiete auf den Hügeln über Werden bis nach Heidhausen-Holsterhausen, um im Endspurt durch den Wald an Zeche Pauline vorbei über die Ruhr nach Schuir zu düsen und dort im Rutherbachtal die absolute Ruhe zu finden,

„Ist es auch“, beginnt die stets verzögerte Antwort:
Einen See, einen Fluss, dazu Wäl­der, Felsen und Hügel, vor allem eine schöne Altstadt mögen ja viele Städte haben. Aber dazu kommt viel mehr: die Randla­ge zum spannenden Ballungs­raum Ruhrpott, der Geist der Mönche, der heute ökume­nisch geradezu heftig bläst und der mit den Lehrenden und Lernenden der Folkwang-Hochschule eine ebenbürtige und internationale Fortsetzung gefunden hat. Hier ist traute Heimat ebenso greifbar, wie man fast täglich Menschen aus anderen Kontinenten die Hand gibt.

Ich höre dann auf, zu er­zählen und rufe in meinem inneren Ohr noch einmal die Stimmen der Alt- und Wahlwerdener wach: den französischen Tänzer, der nicht ohne Appeltate in seine Heimat zurückkehren darf; den kleinen argentinischen Rechtsanwalt und Pianisten, der mit einer großen Frau an der Seite Werden einen einmaligen Konzertraum geschenkt hat; den amerikanischen Medien­mann, der einen Traditionshof bewohnt und geradezu griechische Weisheit in den Akzent einfließen lässt; die vielen Aulen Waddischen, die angesichts der Veränderungen ihrer Stadt eine so weise Ruhe ausstrahlen und stets die Neu-Werdener die Arbeit machen lassen.

Das ist seit Ludgerus so. Der Missionar aus Friesland kam und baute sofort inmitten einer sicherlich damals schon vorhandenen Besied­lung ein geistiges Zentrum. Flügge brachte der Stadt eine eigene Zeitung, die Kamillianer hatten hier eine Aufgabe. Heute sind es Menschen wie Friedhelm Tanski, der das Jubiläumsjahr 1999 koordinierte, oder Thomas Schmitz, der mit seinen Ausstellungen und Veranstal­tungen die Welt des Lesens dorthin holt, wo einst eines der bedeutendsten Skriptorien der Alten Welt stand.

Wenn ich nach dieser zweiten Gedankenreise wieder in die Runde schaue, und es immer noch Ungläubige zu geben scheint, ziehe ich Kreuz- und Herz-As: „Erstens gibt es in Italien in einigen Museen große Karten, auf denen in den deutschen Fürstentümern Werdensis gleichberechtigt neben Köln und Münster steht, und sonst wenig.

Zweitens ist Werden nicht meine erste Lie­be, sondern eine Entdeckung aus der Zeit als fortgeschrittener Twen.“ Immer öfter gelingt es, dass keiner den fiesen Joker zieht: „Zu Hause ist es immer am schönsten.“

Im Ärmel habe ich für diesen Fall noch: „Mag sein, aber ganz sicher, wenn man in Werden wohnt.“

Schandmäuler in der Partyrunde grinsen dann meist heftig; Interessierte planen schon ihren Wanderausflug. Bitte sehr: Werden war nie so grün wie heute. Das ist nicht die ganze Wahrheit: Der Legende nach fand Stadtgründer Liudger einen so dichten Wald vor, dass er Gottes Hilfe benöti­gte. Der unter einem Baum eingeschlafene Missionar soll beim Erwachen die wunder­sam freigeräumte Lichtung auf der „Anhöhe über der Ruhr (Werden)“ vorgefunden ha­ben. Seinem Familienkloster stand nichts mehr im Wege. Über diesem Ort steht heute die Krypta der Basilika, die immer noch das Ortsbild prägt, allerdings zusammen mit der Evangelischen Kirche, die im Jahre 1900 gleich hoch errichtet wurde.

Die Werdener Geschichte ist voller spannender Menschen: Mönche, die eine Silberbibel erwarben, die den mehrstimmigen Gesang einführten, die ihr Kloster mit dem Schwert verteidigten, die vor Leonardo Da Vinci in Venedig einen phantastischen Technikband zeichneten, die das Chorgestühl verbrannten . . . Und wer heute genauer hinschaut, entdeckt an fast jeder Ecke Menschen, die Außergewöhnliches leisten; im Stillen oder weltweit in Fachkreisen anerkannt.

Ich schweife ab; zurück zu dem Sichtbaren:
Im Essener Rathaus ruht seit einigen Jahren ein Plan, der irgendwann einmal Werden und besonders diesen Blick vom Aussichtspunkt Platte als denkmalwürdig schützen soll. Es wird der Maßstab für jeden Hausbesit­zer sein. Ob die zahlreichen Bäume sich daran halten? Zumindest der Aussichtspunkt wurde im Jahre 2000 mit einer großen Fällaktion freigeräumt – von Menschen – ; und er bietet nun einen göttlichen Blick auf Liudgers Stadt.

Der Brehm ist vieles in einem: ein riesiger Spiel- und Fußballplatz, Liegewiese, Lichtung innerhalb eines abwechslungsreichen Baum­bestandes, eben eine Insel der Erholung.

Das Haus Scheppen in Fischlaken kann eine besonders bunte Mischung von Gästen aufweisen. Auf dem Platz vor dem Yachthafen treffen sich Spaziergänger und Erholungssuchende auf Rädern und Rollern; und vor allem Inliner, die eine der schönsten Strecken der Republik nutzen. Aber der Besucher kann auch auf ganz besonderen Rädern rollen: an etlichen Wochenenden dampft die Hespertalbahn von hier über alte Zechengleise nach Kupferdreh. Zurück kann man sich dann ja auf der Weißen Flotte die Wellen gegen den Bug rollen lassen.

Nicht immer gelingt die Symbiose, aber in Werden gibt es etliche spannende Beispiele, wie Architekten alt und neu verbinden können. Das Tanzhaus Hans Züllig wurde in den Fels gesprengt und ergänzt als moderner Quadratbau die barocke Abtei und die Neue Aula, die aus einem alten Tuchlager wächst.

Die neue Marienschule (2007) im Osten der Abtei verdeckt die Sicht nur wenig, bietet aber von der Terrasse aus eine herrliche Sicht nach Westen; die bisher gefehlt hatte. Die Gasse Haus Fuhr verbin­det die Baustile. Bergische Schieferverkleidungen werden in den Altenheim-Neubau auf­genommen. Genau hinsehen lohnt oftmals in Werden: vom Vorplatz des roten Rathauses aus führt die Heckstraße zunächst zur alten Poststelle der Fahrpost derer von Thurn & Taxis, in der es heute noch Zeitungen gibt.

Werden bleibt in erster Linie ein Ort, in dem es sich leben und wohnen lässt, und in den Menschen nach Feierabend und zum Wochenende strö­men, um stadtnah die Natur zu genießen. –

Natürlich sind mir solche Monologe am nächsten Morgen peinlich. „Du lässt den Gesprächspartnern und ihren Lieblingsorten keine Chance“, erklärt mein Sohn.

„Werden! Werden lässt ihnen keine Chance“, erwidere ich trotzig.

Gereon Buchholz (leider im Mai 2018 verstorben)